Mittwoch, 7. September 2011

El Tiburcio in den Anden, Jaroslawl in Russland: wenn ein Flugzeugabsturz Sportler fordert

Heute stürzte in Russland eine Passagiermaschine vom Typ Jak-42 kurz nach dem Start in Jaroslawl ab; an Bord war auch die Eishockey-Mannschaft vom Verein Lokomotive Jaroslawl, die sich auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel im weissrussischen Minsk befand. Das Zivilschutzministerium vermeldete, dass insgesamt 37 Passagiere im Flieger gewesen wären: davon sind 36 bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Eine Person werde noch vermisst. Nähere Informationen sind derzeit noch nicht bekannt, aber eines ist klar: dieses Flugzeugunglück macht den 07.09.2011 zu einem rabenschwarzen Tag für die Eishockey-Szene, denn Lokomotive Jaroslwal ist nicht irgendeine beliebige Eishockey-Mannschaft, sondern eine der russischen Top-Mannschaften und für viele sogar das absolute Spitzenteam. Zudem spielt Russland auch international im Eishockey sehr weit vorne mit; der Absturz von Lokomotive Jaroslawl traf also keine unbekannten Sportler, obschon eine genaue Passagierliste zum aktuellen Zeitpunkt auch noch nicht publiziert wurde (laut verschiedenen News sei aber in jedem Fall die komplette Mannschaft an Bord der abgestürzten Jak-42 gewesen).

Und obschon es natürlich irrelevant ist bzw. sein sollte, ob nun Lieschen Müller und ihr Kegelclub oder diverse Spitzensportler gestorben sind, denn schliesslich ist ein Flugzeugabsturz immer tragisch und lässt trauernde Familien, Freunde und Kollegen zurück, in deren Herzen der Tod eines geschätzten Menschen ein Loch hinterlässt, reisst der heutige Flugzeugabsturz doch nicht nur Löcher in die Herzen der Angehörigen der verstorbenen Teammitglieder, sondern auch in den Eishockey.

Als mich eben die Eilmeldung ereilte, dass das russische Eishockey-Team von Lokomotive Jaroslawl bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sei, musste ich unweigerlich an den Flugzeugabsturz in den Anden denken, der sich 1972 zugetragen hatte.

Jener ist weniger als „Flugzeugabsturz in den Anden“ bekannt, sondern wird zumeist mit dem reisserischen Titel „Kannibalismus in den Anden“ publiziert. Damals ist eine jugendliche, südamerikanische Rugby-Mannschaft über den Anden abgestürzt und die Rettungsmannschaften wurden relativ schnell zurückgerufen, da das Flugzeug nicht gefunden werden konnte und den Rettern die Situation absolut aussichtslos erschien; man war überzeugt davon, dass dort niemand überlebt haben konnte und dass das Flugzeug vermutlich von einer Felsspalte verschluckt worden wäre. Man stellte also bald die Suche ein, da diese auch für die Rettungsmannschaften bald zu gefährlich zu sein schien.

Diesen Absturz in den Anden hatten aber wie durch ein Wunder einige der Passagiere überlebt; über zwei Monate später tauchten plötzlich wie aus dem Nichts zwei Passagiere auf, die Hilfe holen wollten für ihre Kameraden, die noch dort oben beim Wrack warten würden. Einer der beiden Passagiere war Nando Parrado, der den damaligen Flugzeugabsturz rundherum später in seinem Buch „72 Tage in der Hölle – Wie ich den Absturz in den Anden überlebte“ aufarbeitete. Ich habe diesen autobiografischen Tatsachenbericht im letzten Jahr gelesen und bin noch heute zutiefst beeindruckt. Dies ist ein Buch, welches ich wirklich nur jedem ans Herz legen kann: es eröffnet Einem einen ganz neuen Blickwinkel auf das Leben und plötzlich scheint nichts mehr unmöglich. Denn wenn Schwerverletzte es schaffen, in Sommerkleidung und ohne Proviant auf einem Berg in schwindelerrregenden Höhen zwischen Schnee und Eis zu überleben und es Verletzte sogar schaffen, komplett ohne Ausrüstung und ohne jegliche Klettererfahrung die Anden hinabzuklettern: wieso sollte man dann nicht alles schaffen können?

Parrado hat dabei eine sehr persönliche, aber nicht reisserische Erzählweise: der Kannibalismus in den Anden, für den dieser Flugzeugabsturz berühmt-berüchtigt geworden ist, begründet sich darin, dass die Überlebenden letztlich auch deswegen überlebt haben bzw. überleben konnten, dass sie das Fleisch der toten Kameraden gegessen haben. Parrado umschifft diese Thematik galant, ohne ihr aus dem Weg zu gehen: er weist auch klar auf die ethische und moralische Komponente hin und dass dieses Vorgehen lediglich dem Überleben diente, wobei sich andere Überlebende (zunächst) auch geweigert haben, das Fleisch der Toten zu essen. Parrado liefert also weder detaillierte Geschmacksbeschreibungen noch Tipps und Tricks, wie man Menschenfleisch am Besten die Kehle herunterbekommen kann. Im Allgemeinen sind Nando Parrados Schilderungen also sehr pietätvoll und wer sich für die genaueren Umstände dieses Absturzes interessiert (und nicht nur auf der Schiene „Boah hör ma, voll krass: da ist irgendwann mal n Flugzeug abgestürzt und da haben die Lebenden dann die Toten aufgefressen, echt wahr, jetzt!“ fährt), sollte sich „72 Tage in der Hölle“ unbedingt einmal durchlesen.

Die NZZ veröffentlichte Anfang 2007 mit „Der Fluch der Anden“ übrigens einen wundervollen Artikel von Christoph Zürcher über Nando Parrado – und über den Absturz in den Anden.  Wen dieser Beitrag fasziniert, der muss „72 Tage in der Hölle“ unbedingt lesen. Ein Wahnsinnsbuch über eine wahre Wahnsinnsgeschichte. 

Zum Absturz in den Anden gibt es übrigens auch eine offizielle website, die mit zahlreichen Infos aufwartet; prinzipiell spanischsprachig, aber auch auf eine englische Version umstellbar: "Am Leben - Das Anden Unglück"

1 Kommentar:

  1. Gab es in den ganzen Jahren immer wieder. Man kann sich das auch hier ansehen, da sind so gut wie alle prominenten Opfer von Flugzeugabstürzen aufgeführt: http://planecrashinfo.com/famous.htm Aber, egal ob Promi oder nicht, ein Flugzeugcrash ist immer sehr tragisch....

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