Sonntag, 1. Januar 2012

"52 Bücher", Woche 9

Kaum habe ich meinen Beitrag zum letzten „52 Bücher“-Motto nachgeholt, komme ich auch schon mit dem dieswöchigen Beitrag wieder. Das Motto dieser Woche hat sich Dark Johann überlegt und weil vermutlich ohnehin fast jeder etwas zum Thema "Das abgebrochene Buch" sagen könnte, hat er das Thema noch mit einigen dicken Steinen beschwert, so dass das komplette Credo in dieser Woche wie folgt lautet:
Bücher, deren (an sich sehr lesenswerter) Inhalt Euch so mitgenommen hat, das ihr aus emotionalen Gründen nicht weiterlesen konntet. (Das abgebrochene Buch.)
Eigentlich habe ich zu diesem Thema gar nichts zu sagen: ich mag emotionale Bücher und bin so sehr gefestigt und zu lebenserfahren als dass mich erzählte Dinge zu sehr mitnehmen können. Denn ich habe lange Zeit dort gearbeitet, was man als „soziale Brennpunkte“ bezeichnet und habe Dinge gehört und gesehen… zu sagen: „Ich kann dieses Buch nicht lesen, weil es mich emotional zu sehr mitnimmt“ wäre gleichbedeutend mit „Ich kann meinen Job nicht mehr machen.“


Bildquelle: Gerd Altmann  / pixelio.de
Kennt ihr diese unglaublich schlechtgemachten Eigenproduktionen der privaten Sender, in denen dann die Geschichte eines Mädchens erzählt wird, das vor den Augen der Mutter, die tatenlos zusieht, als kleines Kind vom Vater und den älteren Brüdern missbraucht und später auch vergewaltigt wird? Die mit 10 Jahren anfängt zu trinken, kurz darauf zu den harten Drogen greift, nachdem sie von zuhause abgehauen ist und ihren Drogenkonsum, der sie täglich einen höheren dreistelligen Betrag kostet, per Strassenstrich finanziert? Und so geht es weiter und weiter, bis am Ende des Films aus dem Mädchen eine schwerstabhängige junge Frau mit drei Kindern und einem gewalttätigen Ehemann geworden ist, auf die das Amt dank der Beschaffungskriminalität aufmerksam geworden ist und die nun dazu verdonnert wurde, sich helfen zu lassen? In einer der Schluss-Sequenzen wird die Mutter gefragt, warum sie nicht eingegriffen hat und sie erklärt, dass man sich als Frau den Männern der Familie zur Verfügung zu stellen habe; so sei das auch schon bei ihr gewesen und das sei so doch ganz normal… Die meisten Zuschauer sehen sich diesen Film voller Entsetzen an, vergiessen dabei vermutlich ein paar Tränen und trösten sich am Ende damit, dass das alles ja nur erfunden gewesen sei. Okay, die Geschichte dieses Mädchens, die ich hier umrissen habe, ist nicht ausgedacht (ich habe sogar einige böse Details noch ausgelassen); ich gehörte zu den Menschen, die das erwachsen gewordene Mädchen und ihre Kinder letztlich betreut haben. Und es ist kein Einzelfall und es war sogar trotz allem einer der leichtesten Fälle, mit denen ich je befasst war.

Ein Buch, das ich abbrechen würde, weil es mich emotional zu sehr mitnimmt… ehrlich gesagt: ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie übel die dort passierten Dinge sein müssten.

Ein klitzekleines bisschen beeindruckt hat mich aber dann doch auch „Evil“ von Jack Ketchum, zumal die Handlung ja auch auf einer wahren Begebenheit basiert. Also das Berufsleben hat mich nicht so sehr abgestumpft, dass mich nichts mehr berühren würde, aber mich überrascht inzwischen einfach nichts mehr und von daher kann ich auch die schlimmeren Dinge lesen, ohne das betreffende Buch heulend in die Ecke zu schmeissen und anschliessend zum Kotzen ins Bad zu rennen, um das Buch danach keines Blickes mehr zu würdigen.

Und ansonsten, „abgebrochenes Buch": „Glennkill“ von Leonie Swann. Während ich die Idee einer mördersuchenden Schafherde im Vorfeld ganz amüsant fand, war es mir von Anfang an eigentlich total egal, wer den Schäfer umgebracht hatte und nach der Hälfte des Buches nervten mich die Schafe auf ihren Detektivspfaden auch total. Dies ist bislang überhaupt das einzige Buch, das ich nicht ausgelesen habe.

1 Kommentar:

  1. Dass es solche und noch schlimmere Fälle gibt, weiß ich, da ich ja nicht nur Bücher, sondern auch Reportagen u. ä. lese, aber ich befürchte, dass ich Deinen Beruf nicht allzulange durchstehen würde.
    Wobei Deiner viel wichtiger als mein Zahlenschubserjob, der nichts dazu beiträgt, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen... Dass Dich so schnell kein Buch aus der Spur bringt, leuchtet ein. Von "Evil" habe ich schon gehört, ist aber aufgrund der Beschreibung ein Buch, um das ich eher einen Bogen mache, auch wenn es bestimmt sehr gut geschrieben ist...

    AntwortenLöschen

Es lebe die Meinungsfreiheit - Kommentare mit rassistischen, obszönen und beleidigenden Inhalten werden jedoch trotzdem ebenso wie Spam umgehend gelöscht!